Am 21. August vor 32 Jahren starb George Jackson." [Mehr...]
Einige Zeit später, am 9. September 1971, brach im Norden des Bundesstaates New York im Hochsicherheitsgefängnis von Attica ein Aufstand aus. Nachdem die durch die Knastrevolten seit dem Herbst 1970 aufgeheizte Stimmung ihren vorläufigen Höhepunkt in der Ermordung George Jacksons gefunden hatte und die Repression in den Knästen sich immer mehr zuspitzte, gingen die Häftlinge von Attica im Kampf für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen in die Offensive. Mehr als 1000 Gefangene übernahmen in kurzer Zeit die Kontrolle über das Gefängnis und nahmen 38 Wärter als Geiseln. In ihrem Kommuniqué hieß es: "Wir sind Menschen. Wir sind keine Bestien, und wir nehmen es nicht hin, wie solche geschlagen und mißhandelt zu werden." Der Forderungskatalog der Gefangenen umfasste u.a. Forderungen nach angemessener Lebensmittel- und medizinischer Versorgung, freier politischer Betätigung, Abschaffung der Zensur, den Rücktritt des Anstaltsleiters und Amnestie für die Aufständischen. Die Verhandlungen mit den Autoritäten blieben jedoch erfolglos und am 13. September beendete der Staat den Aufstand mit einem Massaker: Kampfhubschrauber warfen Tränengaskanister auf den besetzten Gefängnishof ab und 1500 Nationalgardisten, Soldaten und Polizisten stürmten das Gefängnis und deckten den Hof mit Feuer aus automatischen Waffen ein. 32 Häftlinge und 9 als Geiseln genommene Wächter kamen um, 85 Menschen wurden verwundet. (Quellen: "Comrade George & Attica" & ""Die Wut des Panthers")
Knast war und ist für Linke natürlich immer ein mehr oder weniger brennendes Thema und das weltweit, nicht zuletzt da sich dauernd Menschen aufgrund ihres linken Engagements, das sich zwangsläufig oft außerhalb der bürgerlichen Spielregeln bewegt, in Gefangenschaft befinden. Nun ist es aber auch nichts weiter als verkürzt und durchaus auch zynisch gegenüber Millionen von anderen Häftlingen, die Institution Knast nur dort zu kritisieren, wo Menschen "aus den eigenen Reihen" und/oder "Unschuldige" betroffen sind (auch wenn der Einsatz für politische Gefangene und Abschiebehäftlinge selbstverständlich legitim und wichtig ist)."San Quentin, what good do you think you do? Johnny Cash, "San Quentin"
Do you think that I'll be different when you're through?
You bend my heart and mind and you warp my soul
Your stone walls turn my blood a little cold"
Neben politischen Gefangenen und den Gefangenen der Abschiebemaschinerie befinden sich bekanntermaßen auch Menschen im Knast, die z.B. wegen Mord oder Vergewaltigung sitzen. Ein linkes Denken jedoch, das noch immer durch die Suche nach "revolutionären Subjekten" geprägt ist und alles und jeden daher nur instrumentell-beschränkt wahrnehmen kann, blendet "gewöhnliche Kriminelle", im Extremfall also auch Mörder und Vergewaltiger, aus. Diesen wünscht man ebenso wie jeder andere Fan der bürgerlichen Gerechtigkeit, dass sie "im Knast verotten". Romantisiert werden die "Unschuldigen", die im Streben für eine "gerechte Sache" eingesperrt worden sind: grundsätzlich kritisiert wird das entmenschlichende Prinzip von Überwachen und Strafen damit nicht. Nun kann und darf es bei der Kritik der spezifischen Form der Herrschaft, die über diese Menschen ausgeübt wird, gewiss weder darum gehen, Mörder und Vergewaltiger zu "revolutionären Subjekten" und "Opfern" zu machen (was ohnehin in jedem Fall ein projektiver Schwachsinn ist), noch kann und darf es darum gehen, Taten wie Mord und Vergewaltigung zu einer Rebellion gegen unerträgliche gesellschaftliche Zustände zu verzerren (was diese nicht einmal ansatzweise sind) oder sie "sachlich" oder "neutral" zu betrachten und zu verharmlosen: dies ist abzulehnen, da es absolut menschenverachtend gegenüber den Opfern und damit alles andere als emanzipatorisch ist (auch Diebstahl- der sich nicht zwangsläufig gegen die menschliche Existenz und Unversehrtheit selbst richtet und daher weder in der Praxis noch in der Kritik mit Mord und Vergewaltigung gleichzusetzen ist- ist nicht subversiv, sondern entweder schlicht und einfach Ergebnis materieller Not und daher durchaus verständlich, da überlebenswichtig oder das Geschäft mafiöser Organisationen, denen eine herrschaftsfreie Gesellschaft ganz sicher nicht am Herzen liegt). Diese Taten sind nicht als Revolte gegen die Gewalt der Verhältnisse zu verstehen, sondern als Ausdruck der gewalttätigen Verhältnisse selbst Bestandteile dieser. Als solche müssen sie ganz klar abgelehnt, aber auch thematisiert werden; daher bleibt es dabei: Knast ist nicht die Lösung, sondern Teil des Problems.
< Zu Kurz' Buch über den "Weltordnungskrieg" | Noch zwei lesenswerte GEGENSTANDPUNKT-Analysen >
User #134 Info | http://www.spencerhill.de/
Abgesehen von all den individuellen Anlässen, die einen Mörder zu seiner Tat motivieren, kann man den Bewusstseinszustand, in dem ein Mensch sich ernsthaft mit der Vernichtung eines anderen befasst, sicher nicht von einer Gesellschaftsform trennen, die auf Autorität, Hierarchie, Unterordnung, Erniedrigung, Strafe, Konkurrenzkampf (mobbing), Unterdrückung, Selbstverleugnung und all den anderen Formen von kleinen und grossen Gewalttätigkeiten und –verhältnissen basiert, die jeder alltäglich erfahren kann. Nicht anders ist es mit Vergewaltigung. Diese Gewalt kommt nicht aus dem Nichts.
"Well, I try my best to be just like I am, but everybody wants you to be just like them." Bob Dylan