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Vaterland? Vaterland - was und wo? (Josef Hora)
"Manche meinen rinks und lechts kann man nicht velwechsern. Werch ein Illtum!" (Ernst Jandl)
Clemenza: Leave the gun. Take the cannollis.
Ich verstehe immer nicht, warum Historiker zwanghaft versuchen, der dahinterstehenden Logik auf die Spur zu kommen, wenn sich noch nicht einmal die Religion selber die Mühe macht, ihre Gesetze zu begründen!? Die Rastafaris wissen den Grund, warum sie Homosexualität ablehnen, übrigens auch nicht. Sie zitieren nur ihr Bibelverslein (Levitikus 18,22). Die unproduktive Verschwendung von Samen ist ihnen, wie ich mal annehme, ziemlich schnuppe, und wahrscheinlich masturbieren sie sogar selber, ohne sich deshalb als Sodomiten zu begreifen...
"Manche meinen rinks und lechts kann man nicht velwechsern. Werch ein Illtum!" (Ernst Jandl)
Vaterland? Vaterland - was und wo? (Josef Hora)
Außerdem wird im Jerusalemer Talmud am Beispiel des Beischlafs zwischen Männern erläutert, dass eine Bestrafung nur dann möglich ist, wenn es zwei nicht beteiligte Augenzeugen gibt (im Islam sind es übrigens vier). Vgl. hierzu den wirklich interessanten Aufsatz "Wir sind zwei" [israel-live.de] von Ian Chesir-Teran.
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"Despite their repugnance, Jewish references to homosexuality from the Hellenistic period lack the hysterical tone of Leviticus. For example, R[abbi] Judah held that as a precaution against pederasty, a bachelor should not teach elementary school, and two men should not sleep under the same blanket. But other authorities ruled that this was an unnecessary precaution because Jews do not engage in the forbidden activities. (Nevertheless, the sages ruled, bachelors should not teach elementary school, because doing so would bring them into contact with their pupils' mothers, who might seduce them. Unmarried women were likewise forbidden from teaching young children, to prevent them from meeting their students's fathers.)" (David F. Greenberg, The Construction of Homosexuality, Chicago; London 1988. S. 126.)Die These von Rabbi Judah (zwei Männer dürfen nicht gemeinsam unter einer Bettdecke schlafen) wird im Babylonischen Talmud als eine Minderheitenthese präsentiert, die von den anderen Rabbis zerpflückt wird.
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Vaterland? Vaterland - was und wo? (Josef Hora)
Das ist ein gutes Beispiel dafür, warum der christliche Anti-Sodomie-Diskurs nicht als "Homophobie" bezeichnet werden kann: er bezieht sich präzise auf einen bestimmten Akt, bei dem vom Geschlecht der Beteiligten mitunter sogar komplett abstrahiert wird. Z.B. würden wir heute auch andere Handlungen als "homosexuell" betrachten, die in den meisten christlichen Ländern nie bestraft wurden, z.B. Schenkelverkehr zwischen Männern, gegenseitige Masturbation oder sogar Oralverkehr (in den USA mussten Ende des 19. Jahrhunderts eigene Gesetze gegen den Oralverkehr erlassen werden, weil diese Handlung nicht durch den Begriff der "Sodomie" abgedeckt wurde).
Und um es noch absurder zu machen: beim Analverkehr muss laut kanonischem Recht nachgewiesen werden, dass der Samen im Körperinnern vergossen wurde. Ein Coitus Interruptus konstituiert nicht die "wirkliche Sünde der Sodomie" (sodomia completa) und kann daher eigentlich nicht bestraft werden. In den Niederlanden wurden diese Handlungen im 18. Jahrhundert erst durch eine völlig neuartige Rechtskonstruktion strafbar, die sie als "Vorstufe" zur wirklichen Sünde der Sodomie interpretierte. Ab da wurde gegenseitige Masturbation mit 30 bis 40 Jahren Gefängnis bestraft, während die "wirkliche Sünde der Sodomie" mit dem Tod geahndet wurde.
Nun hat das alles (sieht man von dem zuletzt genannten Beispiel ab) mit "Homophobie" nicht wirklich etwas zu tun. Wir verstehen ja unter Homophobie normalerweise die Feindschaft gegen Lesben und Schwule. Als lesbisch bzw. schwul bezeichnen wir Personen, die sich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlen. Eine solche Wahrnehmung der Dinge erschiene dem Mittelalter und der frühen Neuzeit aber komplett widersinnig. Balladen, die von der Liebe singen, welche zwei "geschworene Brüder" bis ins gemeinsame Grab aneinander bindet, gehören noch bis weit in die frühe Neuzeit zur populären Volkskultur.
In der berühmten Ballade von Amys und Amylion wird z.B. der eine von beiden dafür gepriesen, dass er auf Anweisung eines Engels seine beiden Kinder tötet, um mit Hilfe ihres Blutes seinen "Liebsten" (carissimus) von der Lepra zu heilen. (Gott erweckt die Kinder später natürlich wieder zum Leben. ;-) Als die beiden, nachdem sie auf dem Schlachtfeld für Karl den Großen gefallen sind, schließlich getrennt bestattet werden, greift Gott ein weiteres Mal ein: ihre Leichname wandern über Nacht durch das Erdreich zueinander und werden am nächsten Morgen Seite an Seite liegend aufgefunden. Der Schilderung dieses Wunders gehen die mahnenden Worte voraus: "So wie Gott sie im Leben durch Eintracht und Liebe verbunden hatte, so wollte er nicht, dass sie im Tode voneinander getrennt würden."
Ich finde es ehrlich gesagt absurd, von Homophobie als von einem universalgeschichtlichen Phänomen zu sprechen, während es sich in Wirklichkeit um ein historisches Spezifikum der letzten 300 Jahre handelt. Wir interpretieren das Christentum vielleicht rückwirkend so, weil wir glauben, im christlichen Sodomie-Diskurs unsere heutigen Denkformen wiedererkennen zu können. Es handelt sich dabei aber um einen gründlichen Irrtum. Das Christentum hat es mit präzise definierten Akten zu tun, nicht mit inneren Gefühlen oder gar mit essentialisierten "Personentypen", die wir heute als lesbisch oder schwul bezeichnen.
"Manche meinen rinks und lechts kann man nicht velwechsern. Werch ein Illtum!" (Ernst Jandl)
Napoléon hat sämtliche Strafen für "Sodomie" 1804 ersatzlos aufgehoben und denselben Schritt auch anderen Ländern aufgezwungen. Bayern hat 1813 sogar freiwillig auf einen entsprechenden Paragraphen verzichtet. 1870 wusste Bismarck nicht mehr, wie er den preußischen Paragraphen 143 noch rechtfertigen, geschweige denn, womit er seine Übernahme in das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bunds begründen sollte. Ärzte wie Rudolf Virchow und Heinrich Adolf von Bardeleben sahen sich "nicht in der Lage, irgend welche Gründe dafür beizubringen", warum die Unzucht zwischen Männern bestraft werden sollte, während doch gleichzeitig "andere Arten der Unzucht, wie sie in widerwärtigster Weise zwischen Männern und Weibern, oder gegenseitig unter Weibern bekanntermassen zur Ausführung kommen" unbestraft blieben.
Also kurz gesagt: es hätte doch einfach so sein können, dass sich das alles mit der Abwicklung der Religion erledigt. Warum ist dann aus dem christlichen Anti-Sodomie-Diskurs (STAGE I) das moderne Dispositiv der Homosexualität (STAGE II) geworden?
"Manche meinen rinks und lechts kann man nicht velwechsern. Werch ein Illtum!" (Ernst Jandl)
"Sodom and Gomorrah inna Babylon/It's a big disgrace on the human race/Man a live wid man/Woman a live wid beast/God vex! God vex!"Die Abgrenzung von Babylon ist durchaus als das ideologische Kernstück der Rastafari-Religion zu begreifen, weil die Sklaverei der Schwarzen mit der biblischen Geschichte von der babylonischen Gefangenschaft der Israeliten gleichgesetzt wird. Immer wieder ist davon die Rede, Babylon niederbrennen zu wollen. Und an wem könnte diese Absichtserklärung besser exemplifiziert werden als an den "Sodomiten", die in Europa bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden, um so an die Feuer von Sodom zu erinnern. Faggot, die engl. Bezeichnung für "Schwuchtel", leitet sich ab von dem "Reisigbündel", mit dem diese Flammen entfacht wurden. So fügt sich dann irgendwie ein ganzes Metaphernsystem "logisch" zusammen und führt zu Liedzeilen wie:
King Sounds & The Israelites
"Blaze di fire mek we bun dem!!!"
T.O.K., Chi Chi Man
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Zum Begriff "schwul" hat jemand vor ein paar Wochen auf Wikipedia folgende, ganz interessante These aufgestellt:
"Die Definition schwul scheint mir nicht stimmig zu sein. In Grimms Wörterbuch findet man 'swelen' als 'glimmen' - und ich habe die Vermutung, dieser Begriff hat sich in der Zeit eingebürgert, als Homosexuelle kurzerhand auf den Scheiterhaufen verbrannt wurden, habe hierzu allerdings keine Belege."Das hört sich sehr plausibel an, abgesehen natürlich vom ahistorischen Gebrauch des Begriffs "Homosexuelle". Die Leute, die in Deutschland wegen Sodomie auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden, hat man durchweg "Ketzer" genannt – abgeleitet vom Namen der Katharer-Sekte. Bei Ketzerei im Sinne religiöser Häresie wurde der Zusatz "ketzerey umb glauben" verwendet.
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Grund für das Verschwinden der "geschworenen Bruderschaften" (fraternitates iuratae) war, wie ich annehme, dass die Kirche in der Dortrechter Synode von 1614 den Gebrauch des "Friedenskusses" (osculum pacis) innerhalb einer privaten Messe "zum Zweck des Schließens einer Freundschaft" (amicitiae ineundae ex causa) verbot und gleichzeitig die Formpflicht für die Ehe (d.h. Trauung in der Kirche vor einem Priester) durchsetzte. Damit hatte die "geschworene Bruderschaft" ihre religiöse Anbindung an die Gemeinde verloren und wurde zur Privatsache, während die Ehe von ihrer Symbolik her wahnsinnig aufgewertet wurde.
OK, das war's aber jetzt mit meinen abseitigen kirchenhistorischen Interessen. ;-)
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User #134 Info | http://kiralina.so36.net/ | Last Journal: 28.02.2005 13:30 Uhr
"Every moral has a story and every story has an end" Ben Harper