AANO schreibt: Die militante Linke der 60er und 70er Jahre scheint mal wieder schwer in Mode zu sein. Nicht nur die mit Besucherrekord kürzlich beendete RAF-Ausstellung in den Kunstwerken zeugt von einer erneuten Beschäftigung mit dem bewaffneten Kampf. Da kann natürlich auch die "Bewegung 2. Juni" nicht fehlen, die an diesem Wochenende (3.-5.06.2005) als Schwerpunkt eines ganzen Kongresses im Mehringhof herhalten wird.
Ziel dieses Kongresses ist jedoch keine kontemplativ-künstlerische Schau oder eine rein historische Betrachtung seines Gegenstandes, der Kongress ergreift Partei: „Bewegungsarmut“ herrsche zur Zeit angesichts der „Angriffe von Staat und Kapital“. Die Auseinandersetzung mit dem bewaffneten Kampf soll ein „breites Bedürfnis die [...] Herrschaftsverhältnisse wieder in Bewegung zu bringen“ befördern, ja es soll gar eine „Wiederaneignung“ linker Bewegungsgeschichte versucht werden. Wem die Sympathie gilt, liegt auf der Hand. Zwar gesteht man auch "Schwächen und Fehler" der damals agierenden militanten Gruppen ein und möchte diese diskutiert wissen - betrachtet man jedoch das Programm des Kongresses kommen einem sehr schnell Zweifel an der beabsichtigten kritischen Reflexion auf die Geschichte der "Bewegung 2. Juni" und damit des gesamten militanten Widerstandes. Der virulente Antisemitismus der deutschen bewaffnet kämpfenden Gruppen, ob in Gestalt eines antiimperialistisch inspirierten Antizionismus oder eines das gesellschaftliche Herrschaftsverhältnis personalisierenden, Menschen zu „Schweinen“ reduzierenden Antikapitalismus, ist kein Thema.
Die auf der Kongresswebsite (
http://www.bewegung.in) veröffentlichte Chronik erwähnt die Anschläge auf jüdische Mahnmale und die im jüdischen Gemeindehaus deponierte Brandbombe der "gruppe schwarze ratten tupamarus westberlin", die später teilweise in der "Bewegung 2.Juni" aufging, mit keinem Wort. Ausgerechnet am 31. Jahrestag der Reichspogromnacht beschmierten die linksdeutschen Stadtguerrilleros jüdische Einrichtungen mit Parolen und setzten die um ihr Überleben kämpfenden Israelis mit den Nazis gleich: "Aus vom Faschismus vertriebenen Juden sind selbst Faschisten geworden, die in Kollaboration mit dem amerikanischen Kapital das palästinensische Volk ausradieren wollen" (aus dem Bekennerschreiben zu den Anschlägen in der Nacht vom 9. zum 10. November 1969). Genausowenig werden der RZ-Anschlag auf ein Büro der israelischen Fluggesellschaft El-Al 1974 oder die Anschläge auf Importfirmen für israelisches Obst 1978/79 erwähnt. Ganz selbstverständlich dagegen wird die Entebbe-Aktion 1976 genannt, bei der ein palästinensisch-deutsches Kommando mittels einer Flugzeugentführung u.a. das Bewegung 2.Juni-Mitglied Inge Viett freipressen wollte und die deutschen Kämpfer sich in einer Disziplin übten, die ihre Väter schon zur Perfektion trieben: Juden von Nichtjuden zu selektieren. Euphemistisch wird in der Chronik die Selektion als „Freilassung der nichtjüdischen Passagiere“ umschrieben. Die kämpfenden Gruppen ließen den verbalmilitanten Antizionismus der radikalen Linken praktisch werden und kamen schon dadurch ihrem selbstgesetzten Avantgardeanspruch nahe, allerdings nicht als Avantgarde einer kommunistischen Aufhebungsbewegung, sondern als Avantgarde der jüngsten Generation einer wieder zum Vernichtungsschlag ausholenden deutschen Volksgemeinschaft.
Den eigenartigen Generationenkonflikt deutschrevolutionärer Provenienz beschreibt Klaus Kindler in Context XXI: „Je illusionärer die Revolution im eigenen Land wurde, desto inniger wurde sie in der Ferne imaginiert und als Teil der eigenen politischen Identität projektiv affirmiert. Denn der positive Bezug auf die eigene Nation und seine Volksgemeinschaft schien durch die "deutsche Tat" Auschwitz unwiderruflich diskreditiert und nur in der Negation, als radikaler Antifaschismus praktizierbar. Das Dilemma lag im unaufhebbaren Widerspruch, dass das Täterkollektiv das umschwärmte Subjekt der Befreiung blieb, dessen Sympathie nicht durch die konsequente Konfrontation mit der eigenen Verbrechensgeschichte desavouiert werden durfte.“ Folgerichtig mussten die Opfer zu Tätern werden und die Täterkinder, in zärtlicher Verbundenheit mit dem „kämpfenden Volk“ der Palästinenser, zu Opfern. Es war dieser, in seiner Zeit scheinbar dissidente, Identifikationsvorgang, der mit dem Aufgehen der ehemaligen Revolutionäre in allen gesellschaftlichen Institutionen, den Weg zur aktuellen „Normalisierung“ des deutsch-israelischen Verhältnisses und zur „selbstverständlichen“ Israelkritik frei machte.
Wenigstens ein Teil der Revolutionären Zellen (RZ) reflektierte seine allen emanzipatorischen Ansprüchen Hohn sprechende internationalistische Politik in dem Papier „Gerd Albartus ist tot“. Mit dem Verschweigen der antisemitischen militanten Aktionen fallen die Veranstalter des Kongresses sogar noch hinter diese Auseinandersetzung zurück: alles spricht dafür, dass die kritische, distanzierende Auseinandersetzung mit diesem Teil linker, allzu deutscher Bewegungsgeschichte zugunsten eines solidarischen Bauchgefühls ausbleiben wird. Der Anspruch, linke Bewegungsgeschichte gegen einen „denunziatorischen Geschichtsrevisionismus“ zu verteidigen, entpuppt sich durch die wohlwollende „Auseinandersetzung“ mit denen, die den sekundären Antisemitismus und den damit einhergehenden Geschichtsrevisionismus praktisch werden ließen, als ein äußerst perfider.
Gegen Antisemitismus und Antizionismus,
ob von links oder rechts!
Solidarität mit Israel!
Autonome Antifa Nordost Berlin
im Juni 2005
User #8 Info | http://userpage.fu-berlin.de/~zeank/ | Last Journal: 13.06.2005 17:02 Uhr
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